Ich kannte das Wort STRESS nicht. Ich habe es bis dato nie gebraucht. Damals, vor 23 Jahren als ich direkt nach dem Abitur in Deutschland gelandet bin.
Mein Abschluss wurde nicht anerkannt – Ungarn war kein EU Land- so durfte ich nicht studieren. Ich habe mir nix daraus gemacht. Ich habe mich für eine Ausbildung entschieden. War eben so.
Verwundert stellte ich dann unter den, in meinen Augen modernen, deutschen Mädchen fest, sie reden ständig davon, Stress zu haben. Was für ein modisches Wort – dachte ich damals. Eine Hülle für einen Zustand ( Ausbildung, Prüfungen, doofe Lehrer etc.) , der nicht zu ändern war. Und das bereits im zarten Alter von 18 Jahren!!! Ich wusste damit nichts anzufangen.
Ich komme aus Ungarn. Andere Länder, andere Sitten. Klar lief für mich auch nicht immer alles super und optimal, ich dachte aber, dass sei das Leben. Hier eine Klassenarbeit, da mal verliebt und enttäuscht, nervige Eltern….Aber ich hatte immer ein Dach über den Kopf und war kerngesund. Das galt auch für den Rest meiner Familie. Gott sei Dank! Uns war es nie kalt und hatten immer genug zu essen. Ich wag es kaum auszusprechen: Ich war auf diese einfache Art und Weise GLÜCKLICH.
Wir nahmen an, was kam. Was das Leben für uns mit im Gepäck hatte und surften auf der Welle der Gegebenheiten. War es mal anstrengender, holpriger, windiger auf der Welle, ging es irgendwie immer weiter. Ohne Drama. Ohne Psychotherapie. Unter Stress hatte ich mir in meinem kleinen osteuropäischen Universum was lebensverändernd Bedrohliches vorgestellt. Krankheiten, Schulden, Arbeitslosigkeit, Tod, keine Bleibe.
Unter den modernen deutschen Mädels der 90-er Jahre kam ich mir sehr einfach vor. Und seltsam: Ich hatte ja keinen Stress. Selbst wenn etwas aufregend, nervenreibend anders wurde und mein Körper mit der Ausschüttung der Stresshormone reagiert hatte, flachte der Zustand immer wieder ab und mein Körper kehrte zur Normalität zurück. Meine Mädels hingegen haben immer alles stressig bezeichnet und empfunden. Sie waren in ihren jungen Jahren bereits im Stressmodus gefangen. „Im ständigen Gedanken machen und alles erstmal bewerten- Zustand“. Ich hatte sie innerlich liebevoll belächelt: Habt ihr eine Ahnung, was Stress ist. ( was ja auch toll war, dass sie ja keine Ahnung hatten ) Für euch ist dieses Wort nur ein Sündenbock, eine gute Ausrede, ein allgegenwärtiger Dauerzustand.
Heute, 23 Jahre und 1 Burnout später habe ich meine damalige, einfache Sichtweise verloren. Ich surfe immer noch mit, aber nun auf der Welle des stressigen Lebens. Kinder, Familie, Beruf, Pflichten, Sorgen – ich bin gefangen. Diese natürliche Naivität meines alten Ichs ist erwachsen.
Stress ist immer da. Ich fühle es. Andauernd. Ich weiß, ich müsste es nicht unbedingt haben, denn ich DENKE es nur : es stresst mich. Wenn ich es denke und fühle, handele ich danach. Zack ist es dann geschehen. Meine Hormone können freigelassen werden, mein Körper badet im Adrenalin-Cortisol Cocktail. Das Problem ist, ich bin keine 18 mehr. Mein Körper streikt unter der Dauerbelastung.
Mein Stress ist entstanden durch meine Sichtweise, meine Wahrnehmung , durch meine Erfahrungen und mein Umfeld. Durch mein Leben, welches ich anders wahrgenommen habe als früher. Ich habe das Zepter meiner wilden, sorgvollen Gedanken übergeben und diese erzielten sowas von Ihre Wirkung!!!! Als Drama Queen – ab ins Nirvana!
Byron Katie hatte in THE WORK eine sehr einfache Methode entwickelt um unter anderen auch den stressbesetzten Gedanken zu entkommen: Fragen.
Gedanken wahrnehmen- identifizieren und fragen:
- Ist das wahr?
- Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
- Was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
- Wer wärst du ohne den Gedanken?
Wenn Du die Fragen mit nein beantworten kannst – verliert das Chaos im Kopf ihre Wirkung. Der Gedanke stimmt nicht. ( in 99% der Fällen ist das der Fall ) Kann weg. Löst dann keine Gefühle und kein Drama aus. So nimmst du deinem Stress den Wind aus der Segel und kannst auf diese Weise realistisch und ruhig werden.
Wie cool ist das denn?? Müsste die Methode nicht jeder beherrschen?
Ich trauere meiner damaligen Natürlichkeit nicht hinterher. Ich bin dankbar, dass ich so fühlen konnte. Heute weiß ich, dass ich es immer noch kann. Denn ich entscheide selber, auf was ich mich einlasse – als Teil der modernen deutschen Gesellschaft.
Ich bin fürs Fragen.
Herzlich
Éva